Sonntag, 12. Februar 2012

Gedanken zur Halbzeit im Krankenhaus

Am Freitag war mein letzter Tag in der Notaufnahme. Kaum zu glauben, dass ich da schon ganze acht Wochen war!
Ich habe mittlerweile nähen gelernt und wie man verschiedene Punktionen und Drainagen durchführt. Ich habe gelernt, wie man Patienten befragt, deren Sprache man nicht spricht und gemerkt, dass es einfach keinen guten Weg gibt, einem Patienten pantomimisch zu erklären, dass man ihm gleich einen Blasenkatheter legen wird. Ich habe versucht, mich von dem manchmal hygienisch bedenklichen Arbeiten des Personals nicht anstecken zu lassen und meine Ansprüche nicht schleifen zu lassen (was nicht einfach ist, wenn man für vieles nur müde belächelt wird). Ich habe Krankheitsbilder gesehen, die mir in Deutschland so häufig nicht über den Weg laufen werden – Malaria, Spinnenbisse, verschiedene Stich-, Schuss-, und sonstige Wunden, und vor allem Tuberkulose und Aids.
Es gab einige schwierige Situationen in der Notaufnahme. Ich habe viele Menschen gesehen, die überfallen und ausgeraubt wurden und dabei selber kaum mehr hatten als die Kleidung am Leib und die dann verletzt und ohne Geld den kilometerlangen Heimweg antreten mussten.
Auch die vielen Gewalttaten gegen Frauen und Kinder und vor allem die Gleichgültigkeit, mit der das Thema hier (auch von den Opfern selber) behandelt wird, haben mich schockiert. Es gibt einfach zu wenige soziale Netze, die in solchen Notfällen greifen.
Ein anderes Problem ist die Nachsorge der Patienten. Für kleinere Sachen, wie die genaue Dosiseinstellung von Medikamenten, Fädenziehen und einfachere medizinische Probleme sind sogenannte „Clinics“ zuständig. Das sind kleinere Krankenhäuser oder Stationen, die hauptsächlich von Krankenschwestern geleitet werden, aber oft ist die Versorgung dort schlecht und viele Patienten suchen diese Einrichtungen auch gar nicht auf. So kommt es, dass viele Patienten erst in Spätstadien einer Krankheit Hilfe im Krankenhaus suchen.
Gerade HIV stellt ein fast unlösbares Problem dar. Ein Patient hat mir mal erzählt, dass in der Gegend, wo er lebt, alle HIV hätten und niemand Medikamente nimmt. Darum hält er das auch nicht für nötig. HIV gehört für viele Menschen dazu und man hat akzeptiert, dass man früher oder später eben auch infiziert ist. Durch diese Einstellung ist es einem Arzt in der Notaufnahme fast unmöglich, einen Patienten davon zu überzeugen, dass eine Behandlung wichtig ist. Viele Patienten beginnen zwar eine Therapie, aber kaum einer hält die Dauer der Therapie und die Nachsorge durch.
Auf der anderen Seite gibt es auch ein Thema, bei dem sich auch die Ärzte und das medizinische Personal nicht besonders vorbildlich verhält – Tuberkulose. Immer wieder habe ich den Satz gehört „haben wir ja eh alle schon“. Daher tragen die meisten Mitarbeiter keine Masken bei Tuberkulosepatienten und auch von den Patienten wird das nur sporadisch verlangt. Für mich unverständlich, da in Deutschland Tuberkulosepatienten in Einzelzimmer kommen und nur mit passendem Schutz besucht werden dürfen. Hier sitzen sie einfach so zwischen allen anderen und husten denen was vor. Dabei sind Keime, die resistent gegen die traditionellen Mittel sind, ein wachsendes Problem. Und ich habe nicht das Gefühl, dass man versucht, die Ausbreitung einzudämmen.
Für mich war das allergrößte Problem in der Notaufnahme die fehlende Ordnung. Ich kann einfach nicht verstehen, warum man sich die Arbeit dort so unnötig schwer macht. Es gibt buchstäblich kein System, nachdem die Schränke eingeordnet sind oder eine regelmäßige Überprüfung für wenigstens die wichtigen Dinge, die man in einem Notfall braucht. So kann es durchaus passieren, dass ein Patient nicht mehr atmet und man dann wertvolle Minuten verliert, erstmal eine Beatmungsmaske zu finden. Ich habe das Gefühl, dass ein Großteil der Arbeitszeit mit Suchen verbracht wird. Aber das Personal scheint das nicht so zu stören. Manchmal habe ich mich hier sehr deutsch gefühlt!
Im Rückblick kann ich bisher sagen, dass ich viele wertvolle Erfahrungen gesammelt habe und ich auch an den Herausforderungen gewachsen bin
Ab Montag werde ich dann in der Chirurgie sein. Ich bin schon gespannt, wie dort gearbeitet wird und was ich sehen und erleben werde. Natürlich werde ich berichten…

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